Was hat flow mit Demokratie zu tun?
Was hat flow mit Demokratie zu tun?
flow ist radikal demokratisch. Das sagte ich öfter, ohne darüber nachzudenken. Bis ich vor Kurzem eine Email erhielt. Im Betreff stand genau die Frage, die diesem Blogeintrag als Überschrift dient. Das war letzte Woche. In dieser Woche hat das US-amerikanische Volk eine Wahl getroffen: für oder gegen „mehr flow für alle?“
Meine erste Antwort lautet: Ich habe keine Ahnung. Denn ich bin weder Politikwissenschaftler noch Politiker einer Partei. Ich bin nur Bürger. Doch aufgemerkt! — Bürger, das sind die, die ein Staatsvolk ausmachen. Wenn die Herrschaft über einen Staat vom Volk ausgeht, nennt man das Demokratie.
Bevor ich nach Gemeinsamkeiten suche zwischen flow und Demokratie, halte ich Ausschau nach Unterschieden. Ein erster ist schnell gefunden: Die Demokratie ist eine Staatsform; flow — wie ich es verstehe — ist ein Erleben. Der zweite Unterschied steht weniger offensichtlich da: In einer Demokratie geht es um kollektive Politik, beim flow-Thema geht es um individuelle Politik.
Power: die erste Gemeinsamkeit
Der zweite Unterschied verweist auf die erste Gemeinsamkeit: Demokratie und flow sind beide politisch. Wie das? — Nun, Politik ist die Ausweitung und Erhaltung von Macht, von Herrschaft, von Gewalt. Manche Erben der deutschen Geschichte bringen so heftige Begriffe kaum über die Lippen. Zu groß ist der Schatten des dritten Reiches. Aber nennen wir sie doch mal anders: Macht ist Kraft. Kraft ist Power. Und Power hat Wirkung.
Im flow sind Sie kraftvoll und wirksam. Per Definition erleben Sie sich in entspannter Kontrolle über das, was Sie tun. Dieses „Kontrollgefühl“ ist ein Merkmal, das der Begründer der flow-Forschung in unzähligen Büchern beschreibt. Mihaly Csikszentmihalyi blieb es verwehrt, die ersten Lebensjahre in einer Demokratie zu verbringen. Er weiß, wie sich Gefangenschaft anfühlt; kontrolliert von einem diktatorischen Regime. Vielleicht hat er den Rest seines Lebens deswegen dem flow gewidmet. Denn im flow fühlen Sie sich frei.
Demokratie schafft doppelte Freiheit
Freiheit… was war das nochmal? Es ist die Möglichkeit, zu tun und zu lassen, was man will. Wenn ich frei bin, kann ich wählen. Womit ich zur Demokratie zurück komme: In einer Demokratie entscheidet das Volk über die Verteilung der Macht. Und zwar durch freie Wahl. Als Bürger einer Demokratie haben wir sogar die zweifache Freiheit der Wahl. Erstens kann ich frei wählen, wem ich meine Stimme gebe. Zweitens bleibt mir freigestellt, überhaupt zur Wahl zu gehen. Ich habe nicht nur die Wahl, sondern sogar die Wahl zur Wahl. Unglaublich, aber wahr — doppelte Wahlfreiheit dank Demokratie. Hinzu kommen Meinungsfreiheit, Glaubensfreiheit, Freiheit der Berufsausübung, Freiheit der Wohnung, Freiheit der körperlichen Bewegung… siehe Artikel 2 bis 5 des Grundgesetzes. Fühlen Sie sich freier, wenn Sie das lesen?
Die Demokratie beschenkt ihre Bürgerinnen und Bürger mit den besten Bedingungen, um sich frei zu verwirklichen. Wer trotzdem meint, dass früher die Menschen freier waren, dem stimme ich nur teilweise zu: Ja, früher gab es einige wenige, die frei waren; auf Kosten der vielen, die unfrei waren. Ich für meinen Teil halte an der Demokratie fest, bis etwas Besseres auftaucht. Für mich gibt es derzeit keine reifere Staatsform, wenn es um mehr flow für alle geht. Hier bin ich mit Hartmut Rosa gleicher Meinung. Er beschreibt die Demokratie als Resonanzsphäre, die reiche Voraussetzungen für Glückseffekte bietet. Wenn man sich trotz bester äußerer Bedingungen immer noch unfrei fühlt —was offenbar nicht wenige tun — dann mag das woanders begründet liegen als im politischen System. Womöglich liegt es an mir: Beim Individuum. An meiner Politik. An meiner Power.
Unsichtbare Angst macht unfrei
Was entzieht einem die Power? Es ist die Angst. Hier gibt es keinen Unterschied zwischen individueller Politik und kollektiver Staatspolitik: Angst war schon immer ein schlechter Berater, spricht weise unsere Kanzlerin. Wenn die Hälfte der US-Wähler auf Hassparolen, Diskriminierung und Aggression anspricht, steckt nicht nur für mich die Angst dahinter. Die Angst vor dem Verlust stabiler Werte, vor den Folgen der Globalisierung, vor der eigenen Machtlosigkeit. Die andere Seite — die Freiheit von der Angst — ist als Merkmal des flow-Erlebens hundertfach belegt. Wer selten flow erlebt, lebt viel in Angst, ist innerlich unfrei, ist nicht glücklich. Es wäre interessant zu erfahren, wie Wählergruppen im Glücks-Index abschneiden.
Angst an sich ist jedoch nicht das Grundproblem, sondern eine Grundemotion. Das Problem sehe ich vielmehr darin, dass sich Menschen von der Angst ergreifen lassen. Wer sagt, er hätte keine Angst, den hat sie oft im Griff. Aus diesem Griff löst sich, wer die Angst erkennt. Das ist der erste Schritt, um damit gesund umzugehen. Was schafft Erkenntnis? Aufklärung schafft Erkenntnis, denn sie bildet die Fähigkeit, die Dinge klarer zu sehen und freier zu handeln. Es ist kein Zufall, dass die ersten Demokratien im Zuge der Aufklärung entstanden. Wie etwa im Jahre 1776 die Vereinigten Staaten von Amerika. Auch 240 Jahre später finde ich Aufklärung nach wie vor eine cooles Projekt. Den „Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“ sehe ich am Ende des Tunnels. Aber bis dorthin ist’s noch ein Stück.
Demokratie braucht Aufklärung. flow auch.
Aufklärung ist verknüpft mit Bildung. Und zwar mit einer Bildung, die Vielfalt sieht und integriert: die Vielfalt verschiedener Menschen, verschiedener Meinungen, verschiedener Werte, verschiedener Bedürfnislagen. Um Vielfalt zu erkennen, brauche ich Unterscheidungsfähigkeit: Also die Fähigkeit zum Dinge auseinander halten, ohne ihren Zusammenhang aufzutrennen. Die Unterscheidung zwischen Trump und Clinton bekamen die meisten noch hin. Aber zur Erkenntnis globaler Zusammenhänge hat es leider nicht gereicht. Wer den Klimawandel leugnet, die Ursachen der Einwanderung ignoriert und Andersgläubige abwertet, der hat das Größere nicht verstanden. Da hat wohl die Angst den Verstand eingeengt. Enge im Verstand: das Gegenteil von "open mind".
Wo Enge ist, kommt es zum Stocken. Nicht nur im Straßenverkehr, nicht nur im Leben, sondern auch im Erleben. Wenn sich Ihr Erleben im Fluss befindet, befinden Sie sich im flow. Sorry, wenn das zu einfach klingt. Aber es ist einfach! flow-Erleben ist Weite und Leichtigkeit. Die Schwierigkeit besteht nur darin, flow-Bedingungen zu schaffen. Was dabei hilft, ist Aufklärung. Deshalb ziehe ich durch die Lande, mit Vorträgen und Seminaren. Deshalb habe ich mir den Auftrag gesetzt, die Erkenntnisse der flow-Forschung für mehr Menschen aufzubereiten: mit einem einfachen Modell, mit lebenspraktischen Techniken und mit Profis aus Sport, Musik und Business.
flow braucht Praxis. Demokratie ist Praxis.
Drei Berührungspunkte zwischen flow und Demokratie habe ich angesprochen: Power, Freiheit und Aufklärung. Daneben erkenne ich weitere und einer davon heißt Natürlichkeit: flow-Erleben ist ein natürlicher Bewusstseinszustand, zu dem alle Zugang haben. Und die demokratische Form des Zusammenlebens ist eine Stufe in der natürlichen Evolution einer Kultur — dafür liefert die Entwicklungswissenschaft anschauliche Hinweise.
Demokratie und flow-Aufklärung berühren sich zudem beim größeren Sinn. Beide folgen der Vorstellung von einer besseren Welt für alle. Beide vertreten höhere Werte wie Selbstentfaltung, Wertschätzung und Verantwortung. Werte ergeben nur Sinn, wenn man sie lebt. Sinnverlust entsteht, wenn wir als Staats- und Weltbürger diese Werte nicht — oder nicht mehr — umsetzen. „Politikverdrossenheit“, so nennen die Medien dieses Symptom. Wie legt so mancher Mitmensch seinen Überdruss an den Tag? Beliebt sind Wegsehen, Weltflucht, Aggression und Zynismus — alles Symptome der Machtlosigkeit.
Machtlosigkeit kommt vom Nixmachen. Und Macht kommt vom Machen. Hiermit präsentiere ich die griffigste Kontaktfläche zwischen flow und Demokratie: Beide brauchen Praxis. flow-Erleben tritt während einer Tätigkeit auf, nicht während des Nichtstuns. Man muss sich in Bewegung setzen. Demokratie braucht ebenfalls Bewegung, ansonsten ist sie tot. Sie lebt von friedvoller Konfrontation, vom Dialog, vom Anpacken — nicht nur auf der Ebene der Damen und Herren Politiker, sondern auf und zwischen allen Ebenen.
Machen ja, nur wie? – Eine Anleitung in 5 Schritten
flow in concept hat mehr flow und mehr Demokratie zum Ziel. Allen mutigen flow-Demokraten gebe ich deshalb eine Anregung zum Selbermachen:
1. Starten Sie mit der Überlegung, in welcher idealen Welt Sie leben möchten. Und dann, welche Welt Sie allen Kindern dieser Erde hinterlassen wollen. Ob realistisch oder utopisch — entwerfen Sie davon ein kraftvolles Bild.
2. Mit dieser lebhaften Vorstellung stellen Sie sich folgender Frage: Wodurch kann ich beitragen zu dieser idealen Welt? Dazu fällt Ihnen was ein, da bin ich mir sicher. Notieren Sie es auf ein Blatt Papier (Bei mir steht z.B. „Begeisterung versprühen“).
3. Nehmen Sie anschließend zwei weitere Blätter. Auf das eine notieren Sie sich die Aktivitäten, die Ihnen leicht fallen und Freude bereiten. (Bei mir steht z.B. „Wissenschaftlich forschen“). Auf das andere Blatt schreiben Sie sich die Tätigkeiten, die bei Ihnen Angst auslösen. Seien Sie ehrlich mit sich. Damit lösen Sie sich aus dem Griff der Angst. (Bei mir steht z.B. „vor Menschen vortragen“). Am Ende liegen drei beschriebene Blätter vor Ihnen.
4. Jetzt kommt der vorletzte Schritt: Finden Sie Wege, wie Sie die Tätigkeiten auf den verschiedenen Blättern verbinden können — also Ihre Freude mit Ihrem Nervenkitzel mit Ihrem Beitrag.
5. Sie haben Verbindungen gefunden? — Dann setzen Sie sich in Bewegung. Bringen Sie sie in die Praxis und raus in die Welt. Denn es ist hochwahrscheinlich die beste Kombination: für Ihren flow und mehr flow für alle!
Und… es ist Ihre Wahl.
Erhöhen Sie Ihre flow-Power durch die Angebote von flow in concept.
Sehen Sie die Kurzvideos zum Thema "flow und Demokratie" auf dem YouTube-Kanal von flow in concept.